Haushaltsrede von Hermann Reyher vom 24.11.2015
Seit Monaten ist die halbe Welt aus den Fugen. Bürgerkriege toben von Afghanistan bis Nigeria. Terroranschläge von Bagdad bis Paris. Hunderttausend Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten sind auf dem Weg nach Europa. Mittlerweile ist dieses Europa in einer schweren Krise. Terrorgefahr aller Orten auch bei Fußballspielen. Das Schengen-Abkommen funktioniert nicht mehr. Eine gerechte Verteilung der Migranten scheitert an vielen europäischen Mitgliedsstaaten.
Auf der anderen Seite brummt die deutsche Wirtschaft. Die Steuerquellen sprudeln wie nie zuvor. Trotzdem werden wir in Kierspe wieder eine Netto-Neuverschuldung von 3,6 Millionen Euro im nächsten Jahr haben. Der berüchtigte staatliche Sparkommissar droht uns auch 2016 nicht, denn unsere „Rotstiftmaßnahmen“ zeigen Wirkung: die marode alte Sporthalle kann abgerissen werden und braucht keine Sanierung in Millionenhöhe. Ein neuer Wohnbauabschnitt östlich des Rathauses wird im nächsten Jahr tiefbaumäßig nicht erschlossen. Der kostenträchtige “Lausebergaufstieg“ ist zukünftig nicht mehr realistisch angesichts der milliardenteuren Reparaturen von Autobahnen und ihren Talbrücken.
Bund und Land haben erfreulicherweise zugesagt, dass den Kommunen ein Großteil der Flüchtlingskosten erstattet werden. Hoffentlich werden diese Versprechen auch in Erfüllung gehen. Pro Person und Jahr soll Kierspe maximal 10 000 Euro Fördermittel bekommen für die Unterbringung und Verpflegung. Wenn nötig, können mit dieser Geldzusage Verwaltungs- und Sozialkräfte eingestellt werden. Dieses wäre notwendig, um die vielen ehrenamtlichen Helfer vom Arbeitskreis Flüchtlinge zu entlasten, welche an die Grenzen ihrer Belastbarkeit angelangt sind.
Unsere Grünenfraktion dankt dem engagierten Verein “Menschen helfen”, ebenfalls dem städtischen Jugendzentrum und den Kirchengemeinden. Diese stellen Räumlichkeiten und Ressourcen zur Verfügung für Sprachunterricht, Kinderbetreuung und Freizeitgestaltung. Unser Dank gilt auch dem Sozialen Bürgerzentrum “Hand in Hand”. Deren über 100 Mitarbeitende helfen den ärmsten Menschen in Kierspe seit Jahren. Damit wird die Stadt auch personell und finanziell merklich entlastet.
Wir alle wissen, dass Kierspe zukünftig große demografische Probleme hat. So brauchen wir Investoren für altersgerechte Wohnangebote so wie kleine Lebensgemeinschaften für pflegebedürftige demente Menschen. Außerdem müssen wir unseren Ärztebedarf vor Ort nachhaltig sichern, etwa mit einem umfassenden Gesundheitszentrum für die verschiedenen medizinischen Angebote.
Ich komme nun zum pädagogischen Bereich:
Unsere Gesamtschule und die beiden Grundschulverbünde sind gut aufgestellt. Durch den
1 Million-Euro- Investitionszuschuss können wir die nötigen Energiesparmaßnahmen finanzieren, vor allem bei den Heizungsanlagen und den Gebäudedämmungen. Dadurch werden in den Folgejahren beträchtliche Haushaltsmittel eingespart. Der Kleinkinderbereich bekommt nächsten Jahr eine neue DRK-Tagesstätte beim Bauverein in der Bachstraße. Unsere Fraktion freut sich, dass durch Restmittel beim Märkischen Kreis unsere Sozialarbeiter weiterhin beschäftigt werden können. Die Streetworkerin ist auch in Zukunft unverzichtbar.
Nun zur konkreten Kiersper Stadtplanung:
Hoffentlich wird der Volme-Freizeitpark zur Zufriedenheit der Bevölkerung im nächsten Jahr fertiggestellt, ohne eine neue Kostenexplosion. Hoffentlich geht es weiter voran mit der Bahnreaktivierung und dem Volme-Radweg. Hoffentlich wird die untere Kölnerstraße durch das angefangene Fassadenprogramm und den kulturellen Aktivitäten im Kreativzentrum weiterhin aufgewertet.
Auf Grund der guten Wirtschaftslage brauchen wir Ausbau- und Neubaumöglichkeiten für heimische und auswärtige Firmen. Deshalb soll auch das Rönsahler Gewerbegebiet „Meienborn II“ erschlossen werden. Vor allem unsere Schulabgänger benötigen in Kierspe genügend Ausbildungs- und Arbeitsplätze um den Bevölkerungsschwund einzudämmen. Das erfolgreiche GWK-Unternehmen haben wir leider nach Meinerzhagen verloren. Doch den aufstrebenden Firmen CAWI, Lahme und Louvrette konnte geholfen werden mit entsprechenden Erweiterungslösungen am bestehenden Standort.
Im globalen Maßstab hoffen wir, dass das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP in der geplanten Form so nicht zustande kommt. Kierspe darf zukünftig keine Nachteile haben in den Bereichen Arbeitsnormen, Verkehr, Kultur, Umwelt und Verbraucherschutz.
Erfreulicherweise gibt es in 2016 keine Kostenexplosion bei der Abwasserbeseitigung, der Müllabfuhr, der Straßenreinigung und den Friedhofs gebühren. Auch die Erhöhung der Grundsteuer B ist moderat ausgefallen im Gegensatz zu vielen Kommunen im Märkischen Kreis. Trotz angespannter Haushaltslage können einige Abschnitte der Nebenstraßen auch im nächsten Jahr saniert werden. Für uns Grünen ist wichtig, dass Stadtverwaltung und Polizei für eine konsequente Einhaltung der Tempo 30 Zonen in den Wohnstraßen sorgen, vor allem wegen der Kinder und alten Menschen (z.B am Haunerbusch).
Angesichts der Finanzprobleme von MARK E/ENERVIE kann Kierspe froh sein, dass die Stadtwerke und der Hallenbadbetrieb auch im nächsten Jahr gesichert sind. Im Bereich ÖPNV sieht der Neuentwurf des Nahverkehrsplanes des Märkischen Kreises übrigens eine neue stündliche Busverbindung der MVG nach Rönsahl vor.
Ich komme zum Schluss der Haushaltsrede:
Wir danken der Stadtverwaltung für ihre solide Arbeit, den Ehrenamtlern in allen Kiersper Vereinen und Verbänden sowie den anderen Ratsparteien für die faire Zusammenarbeit.
Fazit:
Da wir Grünen das realistische Zahlenwerk der Kämmerei größtenteils akzeptieren können, stimmen wir dem Haushalt 2016 zu.
Hermann Reyher
Fraktionsvorsitzender 21.11.2016
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